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Fluchtgeschichten

Am OSZ 2 Potsdam ist heute Europatag und dadurch bekommen wir, die Klasse 1161, die Möglichkeit uns intensiver mit dem Thema „Flucht und Menschenrechte“ zu beschäftigen. Treffpunkt ist der Eingang vor dem ehemaligen Stasi-Gefängnis in der Lindenstraße, der heutigen Gedenkstätte. Wir werden freundlich empfangen und in den Seminarraum gebracht, in dem uns der Tagesablauf vorgestellt wird. Zu Beginn ein kurzer Rundgang durch das Gebäude, der uns einen Einblick in die Geschichte des Hauses vermittelt.  Dann ist es soweit: die Interviews mit den Zeitzeugen stehen an. Herr Abdulkarim, politisch Verfolgter aus Syrien, wurde mit 19 Jahren verhaftet – der Grund: seine vermeintlich falsche politische Einstellung. Trotz brutaler Folter, die sich keiner von uns auch nur ansatzweise vorstellen kann, verlor der Künstler niemals die Hoffnung. Dann nach fast 7 Jahren plötzlich die Freilassung. Doch der Leidensweg endet damit nicht, als Angehöriger der kurdischen Bevölkerung in Syrien bleibt die Bedrohung. Die einzige Rettung: Flucht! Heute lebt der syrische Künstler bei uns in Potsdam und malt Bilder gegen das Vergessen. Er ist dankbar für die Hilfe hier, vermisst aber auch weiterhin seine Heimat. Sein Ziel ist es, irgendwann wieder zurückzukehren, beim Wiederaufbau zu helfen und ein friedliches Leben zu führen.

Auch das zweite Interview steckt voller Erinnerungen. Herr Bieber verbringt eine glückliche Kindheit in der DDR, aber nach dem Mauerbau 1961 wächst der Frust über die politische Entwicklung und gleichzeitig die Sehnsucht nach einem freien Leben. Nach mehreren gescheiterten Versuchen gelingt ihm 1970 schließlich die Flucht –  versteckt im Transportfahrzeug  eines Möbellieferanten aus Paderborn. Er bringt Herrn Bieber in die BRD, aber zur Ruhe kommt er trotzdem nicht.  Er wird Fluchthelfer, ermöglicht 11 Menschen die Flucht aus der DDR, bis er verraten und anschließend in ein Stasi-Gefängnis gebracht wird. Als er abgeführt wird, sagt ihm niemand, wo es hingeht. Auch nach der Ankunft im Knast ahnt er noch nicht, welche Schikanen hier auf ihn warten: unregelmäßiges Essen, Dunkel- und Stehkammern, Androhung von Gewalt und totale Demütigung waren gang und gäbe. In seinem Buch „Glasbausteine aus Beton“ erzählt er ganz genau, was alles ablief in den langen Jahren der Haft. Überwältigt und tief beeindruckt von den Erzählungen der Zeitzeugen sitzen wir dann in der Auswertung und stellen beschämt fest, mit welchen Luxusproblemen wir uns eigentlich täglich beschäftigen, während Menschenrechtsverletzungen in vielen Ländern immer noch an der Tagesordnung sind.

Denise Bunnenberg (Schülerin der Klasse 1161)